Beyond Space - Rhythmus, Raum, Abstraktion
Katja Mater, Verena Pfisterer, Lis Rhodes, Verena Schirz-Jahn, kuratiert von Jana Johanna Haeckel und Silke Nowak
Zur Eröffnung ein Konzert von Nika Son und Musik von den DJs Mascha Jacobs und Mary Scherpe
2. - 14. Oktober 2015
Schneeeule zu Gast bei ACUD MACHT NEU
Only the permitted is really visible in a culture that equates real with visible; the unreal becomes invisible; I see is synonymous with
I understand; reality cannot explain itself”
Lis Rhodes in Running Light (1996)
English version below
Beyond Space - Rhythmus, Raum, Abstraktion vereint vier Künstlerinnen unterschiedlicher Generationen die sich gleichermaßen analytisch wie spielerisch mit abstrakten Entwicklungslinien des 20. Jahrhunderts auseinandersetzen. Den vornehmlich nüchtern-reduzierten Traditionslinien der abstrakten Moderne begegnen sie ebenso spielerisch wie humorvoll und unterwandern seine inhärenten Klassifizierungs- und Ordnungsstrukturen. Katja Mater, Verena Pfisterer, Lis Rhodes und Verena Schirz-Jahn entwickeln offene Raumstrukturen, die das Zufällige und Fehlerhafte mit einbeziehen und auf mediale Übergänge sowie Brüche setzen. Abstraktion wird hierbei nicht zum Ziel sondern viel mehr zum Ausgangspunkt, um über das vermeintlich ‘Sichtbare’ hinauszuweisen; die imaginäre Kraft der Wahrnehmung tritt in den Mittelpunkt. Der distanzierten Blick des Betrachters weicht einem aktiven Im-Bild-Sein und wird um individuell-prozessuale Handlungsspielräume erweitert.
In Dresden Dynamo (1972) nutzt Lis Rhodes (*1942, GB), Pionierin des experimentellen Films, formale Ästhetik um die materielle Struktur eines 16mm Farbfilms zu erkunden: Indem sie mittels Letraset Bild und Ton gegeneinander ausspielt sowie in Bezug setzt, überführt sie die filmische Narration in eine visuelle Komposition aus Punkten, Linien und bewegten Flächen. Bild und Ton werden dabei nicht als voneinander isoliert betrachtet, sondern in ihrer wechselseitigen Beziehung visualisiert - es entsteht eine “Sound-Zeichnung” auf Film. Der Einbezug des Betrachters in den perzeptiven Raum ist maßgeblich für Rhodes ‘neue/offene’ Definition von Film; ihre späteren Arbeiten, wie etwa Light Music (1975 u.a.) setzen den Ausstellungs- mit dem Projektionsraum gleich: die Schatten des Betrachters vor dem Filmprojektor werden Teil des Werks und überführen den Film so zu einer radikalen Neudefinition als “offenes Kunstwerk”.
Verena Pfisterers (1941-2013, D) Arbeiten kennzeichnet das Spielerische sowie ihre offene Struktur, die sich klaren Genregrenzen entzieht. Ihre Zeichnungen und Objekte dokumentieren körperbezogene Raumerkundungen welche die nüchterne Ästhetik abstrakter Vorbilder auf humorvolle Weise unterlaufen. Gleichzeitig spielen Pfisterers Werke mit dem Zusammenklang von Körper und Licht im Raum und überführen die konventionell reduzierte Ästhetik abstrakter Kunst in ein offenes Experimentierfeld an der Schnittstelle von Zeichnung, Installation und Performance. Pfisterers skulpturales Objekt Menetekel etwa, karrikiert die kühle Ästhetik minimalistscher Skulpturen und integriert Leuchtelemente, die den Betrachters um seine Schatten im Raum miteinbeziehen.
Verena Schirz-Jahns (*1945, D) Zeichnungen und Malereien konzentrieren sich ganz auf bildgebende Elemente wie Linie, Fläche, Rhythmus und System. Den Ausgangspunkt bildet dabei ihr künstlerisches Anliegen, Raumerfahrung mittels Farbe hervorzurufen. Das geometrische Vokabular der Bilder erinnert einerseits an zeitgenössische Referenzen in Minimal und Op-Art, sowie an die philosophische Dimension im Werk von Agnes Martin oder Bridget Riley. Abstraktion wird so zur Möglichkeit das “Unanschauliche, Unverständliche anzugehen” (Gerhard Richter über abstrakte Malerei).
Katja Maters (*1978, NL) Arbeiten operieren an der Schnittstelle von Fotografie, Film, Zeichnung, Malerei und konzentrieren sich ganz auf Licht/Farbe, Form und Raum. Dabei nutzt Mater die medialen Brüche, Übergänge und Transformationen um die konventionellen Vorstellungen vom Objekt im Raum zu hinterfragen. Die vermeintliche “Wirklichkeit” des abgebildeten Objekts wird in seiner Absolutheit konterkarriert – eine Zeichnung entpuppt sich als Fotografie, ein Wandbild als Film – und somit die Vorstellung von fotografischer/filmischer Realität und der ihren Darstellungskonventionen in Frage gestellt: Time Passing Objects dokumentiert die fotografische Fixierung von malerischen Prozessen, während Composition Of Lights analog festgehaltene Lichtspiegelungen abbildet . Die dabei entstehenden Arbeiten sind prozessual und instabil; sie spannen einen Raum auf, der sich durch sein Dazwischensein (“in-betweeness”) auszeichnet.
Die Eröffnung der Ausstellung wird von einem Konzert der Musikerin Nika Son sowie den DJs Mascha Jacobs und Mary Scherpe begleitet. Die Veranstaltung ist eine Initiative des Projektraums Schneeeule der zu Gast ist bei ACUD MACHT NEU.
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In 1972 the British artist and filmmaker Lis Rhodes co-founded the feminist film distribution collective Circles. Based on the desire to distribute and screen women’s film on their own terms, Circles wanted to create a platform for female art films that remained invisible in the main institutions of these days. Rhodes created a radical strong formal aesthetic and wanted her audience to “reconsider film as a medium of communication and presentation of image, language and sound”. The exhibition Beyond Space – Rhythmus, Raum, Abstraktion follows this need and brings together four female artists of different generations working through the possibilities of abstraction. They use film, photography, painting, drawing and installation to question the representation of space and make us aware that we only perceive very partial traces of the “visible”, which are inevitably influenced by our own perception.