Efeu
Addas Ahmad, Charles Grieger, Ulrike Heise, Katharina Maasberg, Zoë Claire Miller, Laura Rammo, Bettina Sefkow, Klaus Schumann, Pauł Sochacki und Wendy Taylor
Klaus Schumann – Haute Couture, Helmstedter Straße 12, EG, 10717 Berlin
27. Oktober bis 15. November 2019
Die Ausstellung Efeu findet im Modeatelier des Schneidermeisters Klaus Schumann statt. Schumann hat in den 1950er Jahren eine Schneiderlehre in Berlin absolviert, später hatte er ein Schneideratelier auf dem Kurfürstendamm, seit 1985 befindet es sich in der Helmstedter Straße in Wilmersdorf. Er entwirft und schneidert Kleider und Kostüme für Frauen. Das Atelier wurde von Schumann selbst liebevoll gestaltet und gleicht einer Schmuckschachtel. An Wänden und Türen ist eine Efeu-Tapete angebracht, die Räume erinnern an ein französisches Hotelzimmer. Es gibt Kronleuchter sowie geschmackvolle Holzschränke und - kommoden. Die von Schumann entworfenen Kleider hängen im mittleren Raum, ganz hinten findet ein Stilmix statt: dort befindet sich ein geschweißtes Sitzensemble von Stiletto Studio. Für die Ausstellung wurden einzelne Werke von Künstler*innen ausgewählt, deren Werke zu dieser besonderen räumlichen Situation, beispielsweise zur Nutzung dieses Ortes passen. Wie etwa solche, in denen die Künstler*innen Materialien wie Stoff oder Garn verwendet haben oder welche, in denen Pflanzen oder Tapeten auftauchen. Die geladenen Künstler*innen sind divers: Künstler*innen mit und ohne Be_hinderung stellen gemeinsam aus, sie gehören unterschiedlichen Generationen an und sind in verschiedenen Kontexten sichtbar.
Addas Ahmad arbeitet als bildender und darstellender Künstler in der Thikwa-Werkstatt für Theater und Kunst, einer Zweigstelle der Nordberliner Werkgemeinschaft. Als Schauspieler steht er regelmäßig auf der Bühne des Theater Thikwa e.V. In seiner künstlerischen Praxis verwendet er Materialien wie Stoff und Faden sowie Papier und Pappe. Er faltet, zeichnet, stickt, macht Collagen oder Patchwork. Es sind vor allem geometrische Formen, die so entstehen. In der Ausstellung ist eine Wandarbeit aus Stoff zu sehen. Dafür hat Ahmad einfarbige und gemusterte Stoffe zu Drei- und Vierecken geschnitten und diese zu einem grafischen Muster zusammengesetzt.
Charles Grieger (1903 – 1972) war Künstler, Publizist und Grafiker. Er arbeitete mit diversen Medien und einer Vielfalt an Sujets und Gattungen wie politischer Karikatur, Stillleben, Landschaftsmalerei und Porträtmalerei. In der Nachkriegszeit hat Grieger Magazine für homosexuelle Männer und Frauen publiziert, die er selbst gestaltete. In der Ausstellung ist eine Collage mit dem Titel Vasen von 1955 zu sehen. Darauf dargestellt ist ein Paar Stiefel, sie rufen Erinnerungen an Warhols Schuh- und Stiefelillustrationen wach. Griegers Stiefel dienen gleichzeitig als Vasen für Blumen mit erotischen Konnotationen.
Ulrike Heise ist Künstlerin und Landschaftsökologin. Sie arbeitet mit den Medien Skulptur, Installation und Film. Oft sind es kleinste Tiere, die sie im Rahmen ihrer künstlerischen Praxis genau betrachtet und untersucht. Eine wissenschaftliche Herangehensweise ist typisch für ihre künstlerische Praxis. Für die Ausstellung hat sie eine ortsspezifische Arbeit entwickelt. Anhand von Notizen und basierend auf einer Bestandsaufnahme des Hinterhofes möchte sie die Besucher*innen auf dessen ökologischen und architektonischen Besonderheiten aufmerksam machen.
Katharina Maasberg ist ebenfalls Ensemblemitglied des Theater Thikwa und bildende Künstlerin in den Ateliers der Thikwa-Werkstatt für Theater und Kunst. Wellkarton ist ein Material, das sie als Untergrund für ihre Malereien und Zeichnungen ebenso benutzt, wie als Untergrund für ihre Wollgarn-Bilder. Ihre Werke changieren zwischen Abstraktion und Gegenständlichkeit. Es gibt Formen, die an Kaffeetassen erinnern, aber auch Farbfelder, bei denen es sich um abstrahierte Landschaften mit Bergen, Seen und Feldern handeln könnte. Diese Felder bestehen aus Wollfäden, die sich parallel oder in Zick-Zack-Linien über die Oberfläche der Pappe ausgebreitet haben.
Aspekte, die im Werk von Zoë Claire Miller auftauchen, sind weibliches Begehren, Feminismus objektinhärenter Humor, Beziehungen zwischen Tieren, Pflanzen und Menschen. Daneben fließen Faktoren der Entwicklungsgeschichte ein, zum einen im Hinblick auf unsere Kultur, zum anderen im Hinblick auf die Evolution. Für ihre Arbeiten verwendet sie oft Keramik und kombiniert diese gelegentlich mit anderen Materialien wie Metall, Holz, Stoff oder Düften. Sie zeigt in der Ausstellung skulpturale, keramische Nebelbrunnen, die sowohl ätherische Öle, als auch in der Parfumherstellung gebrauchte synthetische Düfte ausströmen, womit sie in der Kunst-Rezeption ungewohnte Sinneserlebnisse aktiviert.
Laura Rammo ist ebenfalls Schauspielerin beim Theater Thikwa e.V. und Künstlerin der Thikwa-Werkstatt. Sie macht Objekte und arbeitet vor allem mit Stoff, auf den sie stickt. Dafür verwendet sie entweder Nesseltuch oder transparenten feinen Voile. Ihre Arbeiten tragen Titel wie Sofo von unseren Kühen, Hai oder Löwe. Manchmal sind Tiere darauf zu sehen, doch meistens handelt es sich um abstrakte Formen, zarte Linien und Flächen. Manche ihrer Arbeiten sind ganz reduziert, in anderen finden sich viele farbige Flächen und Verdichtungen. Man könnte manche ihrer Arbeiten auch als abstrakte, impressionistische Landschaften beschreiben.
Bettina Sefkow arbeitet mit verschiedenen Medien wie Installation, Skulptur, Collage und Zeichnung. In der Ausstellung ist ihre Arbeit Latzhose Kind zu sehen. Kleidungsstücke werden aus isoliert zugeschnittenen Stoffteilen nach einem bestimmten Plan zusammengesetzt. Die Künstlerin hat diese Stoffteile aus einer Latzhose herausgeschnitten, so dass nur noch die Nähte übrig sind und vergleicht diese Nähte mit Grenzen. Jedoch geht es ihr nicht nur um deren trennenden Aspekt, sondern auch um die Naht als verbindendes Element zweier Teile. Die haltende Funktion der Naht tritt hier in den Vordergrund. Sefkow selbst sagt, die Naht sei der Sockel der Hose.
Im Laufe der Schaffenszeit von Klaus Schumann sind unzählige Entwürfe sowie Kleidungsstücke nach Maß entstanden. Die jeweiligen Kleider und Kostüme wurden verkauft, die Entwürfe sind geblieben und stapeln sich im Atelier. Schumann zeichnet mit Bleistift oder Kugelschreiber, neben die Zeichnung heftet er mit einer Nadel jeweils ein Stück des Stoffes, das er für die Umsetzung verwendet, an das Blatt. Diverse Informationen stehen darauf, beispielsweise Nummern, mit denen Schumann die Reihenfolgen für Modeschauen festlegte.
Pauł Sochacki malt Pflanzen, Tiere, Landschaften, Höhlen, Himmelskörper oder Gespenster auf grobe Leinwände. Oft zeigen seine Bilder bizarre Settings, surreale Situationen im Körperoder Erdinneren, ein gemeinsames Picknick von Tintenfisch und Maus mit einem Schneemann oder Planeten mit Gesichtern. Immer wieder thematisiert er die Produktion von Kunst ebenso wie dessen Präsentation: er lässt die Leinwand sichtbar, zeigt den Farbauftrag und stellt absurde Ausstellungs- und Ateliersituationen dar.
Wendy Taylor ist Fotografin. Ihre Sujets sind vielfältig: seltsam geformte Felsen, Wälder, Korridore, Fahrgäste in einem Bus oder ihre Freunde. Zudem hat Taylor eine Vorliebe für besondere Lichteinfälle, für das beiläufig Schöne und für kleine Abweichungen. In der Ausstellung ist eine Fotografie einer Tapete zu sehen. Auf die Tapete gedruckt ist die Malerei eines englischen Landschaftsgartens mit seinen typischen Brücken und Wasserfällen. Auf den ersten Blick kaum zu erkennen, sind die Blätter einer echten Pflanze im Vordergrund. Hier kommt das komplexe Verhältnis zwischen Natur und Kultur zum Tragen: Der kultivierte Englische Garten an sich, hier als reproduzierte Malerei auf einer Tapete für den Innenraum, und dazu eine kultivierte Zimmerpflanze.
Tunnel von Ulrike Heise