o. T. (Materialtransformationen)
Stef Heidhues, Philipp Poell, Alexandra Schumacher
Eingeladen von Anne Fäser und Anna-Lena Wenzel
13. bis 20. Oktober 2012
Berlin Carré, 1. Stock, Karl-Liebknecht-Straße 13, 10178 Berlin
Die Ausstellung o.T. (Materialtransformationen) bringt die drei Künstler Stef Heidhues, Philipp Poell und Alexandra Schumacher zusammen. In ihrer Arbeitsweise ganz unterschiedlich, sind ihre Werke zusammengestellt, um den Blick auf das Material zu schärfen. Wie ist der jeweilige Umgang mit Material? Wie wird es verwandelt, entfremdet und neu zusammengesetzt? In der Kunst wird Material seit jeher transformiert und mit Botschaften und Bedeutungen aufgeladen. Gefundenes wird artifiziell, Fragiles wird raumgreifend, Gebrauchsgegenstände werden auratisiert. Heidhues, Poell und Schumacher transformieren auf ihre je eigene Weise alltäglich gebrauchtes Material in Kunstwerke, mal sieht dies eher nebensächlich aus, wie bei Philipp Poell, mal wird daraus ein anbetungswürdiges Objekt, wie bei Stef Heidhues. Alexandra Schumacher verwandelt Fensterrahmen, Tischbeine u.a. in eine raumbezogene Installation, die die Spezifität des Ausstellungsraumes hervorkehrt. Von Interesse in der Ausstellung sind gerade auch die Widersprüchlichkeiten jener Transformationen; jene Momente, in denen das Material zwischen den Bedeutungen hängt und Verweise auf soziale, gesellschaftliche, aber auch psychologische Phänomene unserer Alltagswelt eröffnet.
Stef Heidhues provoziert diesen Widerspruch zwischen Material und Zuschreibung durch die Wahl des Titels Madonna (2007/2012). Sie kontrastiert damit ausrangierte Fahrradketten mit dem Bild der Mutter Gottes. Gerade durch die Ambivalenzen zwischen der Konnotation des Materials und der letztlich unerfüllten Erwartung eines bestimmten Bildes durch den Titel, verweigert sich die Arbeit einer eindeutigen Interpretierbarkeit und wird offen für neue Botschaften. Verweigerung versteht die Künstlerin als produktives, öffnendes Prinzip und ermöglicht sich damit auch einen experimentellen Umgang mit dem Material. Liegt im Gewicht der Fahrradketten etwa eine lastende Vorstellung des jahrhundertealten Bildtypus der Pieta verborgen?
Philipp Poell arrangiert gefundene Materialien. Das, was andere übersehen, sammelt und transformiert er zu Kunstwerken. Scheinbar nebensächlich im Raum platziert, zeigen seine Objekte unerwartete und poetische Aspekte des Materials. Für die Ausstellung in der Schneeeule verwendet er auch Material aus der Umgebung des Einkaufszentrums und schärft damit den Blick für die Widersprüchlichkeiten dieses Ortes.
Alexandra Schumacher geht ebenfalls von architektonischen Gegebenheiten aus. Die Arbeit Wand, Decke, Boden (2012) greift das Prinzip der versetzten Stapelung von Quadraten auf, welches ihr in der Anordnung von Fenstern bei Neubauten in Berlin begegnete. Das Zusammenspiel der verwendeten Formen und Materialien greift den architektonischen Hintergrund auf. Doch die entschiedene Fragilität der turmartigen Zusammenstellung vermittelt auch die trügerische Geste der Bauten, zwar hoch hinaus zu wollen und doch schmal und beengt zu bleiben. Das Material transportiert das gesellschaftliche Phänomen, Individualität zwar zu wollen, aber nicht zu bekommen.
Der unterschiedliche Materialumgang der drei Künstler fügt dem „bunten“ Treiben dieser skurrilen Architektur des Berlin Carreé eine weitere humorvolle wie denkwürdige Ebene hinzu.
Text: Anne Fäser, Anna-Lena Wenzel